Friday, May 29, 2015

Stammtisch als Teil des DaF-Unterrichts

Seit zwei Jahren betreibe ich einen Stammtisch für meine Schüler und Schülerinnen. Damit meine ich ein regelmäßiges, legeres Treffen, bei dem wir uns -- Kinder sowie Lehrpersonal -- nur auf Deutsch unterhalten. Wir sitzen jeden Freitag an unserem gewöhnlichen, für uns reservierten Tisch (in der Mensa, aber immerhin) und plaudern. Das sind Lernende in den 6. bis 10. Klassen, die in der Sekundarstufe Deutsch lernen. Manche sprechen zu Hause Deutsch, manche sind sozusagen Null-Anfänger und können zunächst mal nur 'Hallo' sagen; der Löwenanteil der Kenntnisse liegt natürlich irgendwo dazwischen. Ich fasse jetzt kurz meine Erlebnisse zusammen, falls das für andere Lehrer und Lehrerinnen von Hilfe sein kann.

1. Die Kinder brauchen einen Stammtisch. Das ist also ein Muss. Wer außerhalb des Klassenzimmers mal die Gelegenheit hat, sich in der Zielsprache zu versuchen, merkt sich auch innerhalb des Klassenzimmers viel mehr. Und nicht nur merken -- der Beobachter wird zum Teilnehmer. Aktive Sprachfertigkeiten werden geübt und verbessert, die im Unterricht aus welchem Grund auch immer vernachlässigt werden können. Teilnahme am Stammtisch ist also bei mir ein Teil des Unterrichts und zählt genau wie Hausaufgabe zur Note.

2. Der Stammtisch muss obligatorisch sein. Ich habe es mal so versucht, dass die Lernenden freiwillig kommen könnten. Und so ist der Stammtisch gescheitert. In dem Alter brauchen sie meiner Erfahrung nach mehr Struktur und Aufforderungen als bei älteren Zielgruppen, die vielleicht autodidaktischer sind und aus eigenem Interesse eine Sprache aussuchen.

3. Der Stammtisch kann aber nicht nur pflichtgemäß funktionieren. Obligatorisch sein heißt nicht (nur) trocken sein, routinemäßig sein, langweilig sein. Im Ersten Jahr habe ich meinen Schülern gesagt, sie mussten alle zwei Wochen kommen. Inzwischen habe ich das auf einmal im Monat reduziert. Manche haben selbstverständlich weniger Lust auf ein gemeinsames, deutschsprachiges Essen als andere, und dass muss ich schließlich akzeptieren. Damit es nicht nur immer die üblichen Verdächtigen sind, stelle ich als Lehrer selber die 4 Gruppen fest, und wir wechseln die Gruppen jede Woche ab. Natürlich dürfen Kinder öfter als alle vier wochen kommen, wenn sie wollen. Das machen auch viele.

4. Es wird geholfen, nicht korrigiert. Die Lernenden dürfen sich gegenseitig fragen, wie ein Wort auf Deutsch heißt und ob es 'der Zimmer' oder 'das Zimmer' ist. Das Lehrpersonal ist dafür da, in Zweifelsfällen was zu erklären. Und auch oft das Gespräch zu steuern. Aber eine Regel gilt immer: der Lehrer korrigiert nicht. Beim Stammtisch geht es wirklich nur darum, dass die Kinder deutsche Sätze und deutschsprachige Diskussionen wagen. Man wagt etwas Neues und Schwieriges meistens nur dann, wenn man sich traut, wenn man sich wohl fühlt. Würdest du dich wohl fühlen, wenn du dauernd unterbrochen würdest? Langsam nicht mehr, oder? Würdest du dich in einer komischen, fremden Sprache versuchen, wenn du das Gefühl hättest, 90% deiner Aussagen wären falsch? Langsam nicht mehr. Natürlich darf man die Lernenden korrigieren -- im Unterricht. Bei der Hausaufgabe. Bei Prüfungen. Sollten sie aber nicht mindestens ab und zu die Chance haben, die Sprache unbesorgt und frei, als Mittel zum Zweck des freundlichen Kommunizierens, zu verwenden? Das schaffen sie mit Unterstützung. Nicht mit Pedanterie.

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